C/O Berlin Talent Award 2023
C/O Berlin freut sich, den diesjährigen C/O Berlin Talent Award in der Kategorie Artist an den Schweizer Künstler Aladin Borioli (*1988) zu vergeben. Die ausgezeichnete Arbeit Apian wird in einer Einzelausstellung vom 27. Jan – 22. Mai 2024 bei C/O Berlin im Amerika Haus in der Hardenbergstraße 22–24, 10623 Berlin präsentiert. Auf der Shortlist 2023 stehen die Künstler:innen Arnout und Michiel De Cleene (*1986/*1988, BEL), Naima Green (*1990, USA), Elias Holzknecht (*1993, AT) sowie Jan Staiger und Malte Uchtmann (*1995/*1996, DE).
Der C/O Berlin Talent Award 2023 in der Kategorie Theorist geht an den niederländischen Autor und Herausgeber Bas Blaasse, der den ersten kunsttheoretischen Essay über das Gewinner-Projekt verfassen wird. Der Essay wird zusammen mit einem Interview mit Aladin Borioli in einer monografischen Publikation bei Spector Books erscheinen, die C/O Berlin anlässlich der Einzelausstellung des Künstlers herausgibt.
In seinem enzyklopädischen Forschungsprojekt Apian geht der Künstler Aladin Borioli der symbiotischen Beziehung zwischen Menschen und Bienen von der Prähistorie bis in die Gegenwart nach. Dabei verbindet er Fotografie, Archivmaterial, Video und Schrift, um die Machtdynamik zwischen den Arten zu untersuchen. Borioli vereint verschiedene Bereiche und Forschungsmethoden, von der Architektur bis zur Anthropologie, vom Politischen bis zur Landwirtschaft, vom Soziologischen bis zum Ökologischen und vom Mythologischen bis zum Göttlichen, und schlägt dabei eine unkonventionelle rhizomatische Lesart unserer uralten Verbindung zu den Bienen vor.
Unter Berücksichtigung der Verbindungen zwischen Bienenzucht und Architektur, zeichnet Apian die Entstehung zeitgenössischer Bauarten durch die Linse des Bienenstocks nach. Gleichzeitig untersucht das Projekt wie der Wunsch der Menschheit nach geordneter Vergesellschaftung zu einer unvermeidlichen Identifikation mit der Gesellschaft der Bienen geführt und unsere Ideale von Arbeit, Familie und Gemeinschaft geprägt hat. Borioli reflektiert kritisch, wie die "Arbeitsbiene" als starkes Symbol spätkapitalistischer Werte vor allem im globalen Norden genutzt wurde, um puritanische Vorstellungen von Produktivität und Arbeitsteilung zu fördern. In seiner Komplexität und mit seinem ehrgeizigen Ansatz hat Boriolis Projekt Apian die gesamte Jury überzeugt.
Aladin Borioli (*1988, CH) studierte Grafikdesign an der École d'arts appliqués de La Chaux-de-Fonds, Fotografie an der Hochschule für Kunst und Design Lausanne (ECAL) und hat einen Master of Arts in Visual and Media Anthropology an der Freien Universität Berlin. Seine Arbeit bewegt sich an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Bienenhaltung. Er hat Preise und Stipendien im Bereich der Kunst, aber auch der Wissenschaft erhalten, zuletzt ein Stipendium am Hanse-Wissenschaftskolleg (Deutschland). Die Arbeiten des Künstlers wurden u.a. beim Festival Images, Vevey und im Centre d’Art Neuchâtel (CAN, beide Schweiz) gezeigt. Seine Publikation Hives 2400 B.C.E. – 1852 C.E., die 2020 erschienen ist, präsentiert gesammeltes Archivmaterial zum Thema Bienenzucht. Bei C/O Berlin wird die erste Monografie über Apian erscheinen, die sein Werk in seiner reichen Materialität umfassend erkunden wird.
Bas Blaasse (*1991, NL) schreibt über Kunst und Kultur und fokussiert sich dabei häufig auf kamerabasierte Medien und darstellende Künste. Seine Texte bewegen sich an der Schnittstelle von Fiktion und Theorie. Er studierte Philosophie in Leuven, Berlin und Brüssel sowie Fotografie in Breda. Er arbeitet hauptsächlich in den Niederlanden und Belgien und ist derzeit Redakteur beim HART Magazine.
Blaasses breites Interessenspektrum sowie seine interdisziplinäre Arbeitsweise überschneiden sich in perfekter Weise mit dem methodischen Schwerpunkt von Borioli, der auf verschiedene Quellen, Materialien und Zugänge zur Dokumentation zurückgreift. Seine eingereichten Texte überzeugten in ihrer innovativen, vielschichtigen und erfassbaren Herangehensweise an komplexe kunstwissenschaftliche und gesellschaftskritische Themen.
Die Jury für die Kategorie Artist, bestehend aus Tim Clark (Chefredakteur, 1000 Words, London), Veronika Epple (Junior-Kuratorin, C/O Berlin Foundation), Sophia Greiff (Co-Programmleitung/Kuratorin, C/O Berlin Foundation), Nadja Masri (Leiterin der Klasse ‚Bildredaktion‘, Ostkreuzschule für Fotografie, Berlin), Alona Pardo (Kuratorin, Barbican Centre, London), Salvatore Vitale (Künstler und Dozent an der HSLU, Luzern) hat den diesjährigen Gewinner und die Shortlist benannt. Mehr als 60 aufstrebende Künstler:innen, die im Vorfeld nominiert wurden, haben ihre Arbeiten eingereicht. Die Shortlist-Kandidat:innen werden in Kooperation mit dem Magazin Der Greif online präsentiert.
Die Jury für die Kategorie Theorist, bestehend aus Veronika Epple (Junior-Kuratorin, C/O Berlin Foundation), Sophia Greiff (Co-Programmleitung/ Kuratorin, C/O Berlin Foundation) und Anna Gripp (Chefredakteurin, Photonews), hat aus einer Vielzahl internationaler Einreichungen, die sich über einen Open Call beworben haben, einstimmig entschieden.
Das Projekt Amidst The Fire, I Am Not Burnt von Arnout und Michiel De Cleene (*1986/*1988, BEL) konstruiert auf mosaikartige Weise ein Bild vom Phänomen Vesuv, das sich aus der Dokumentation der ikonischen Landschaft rund um Neapel sowie aus recherchierten Fotografien, aus wissenschaftlichen Erkenntnissen und populären Geschichten, aber auch aus eigenen Interpretationen zusammensetzt. Ausgehend vom Ausbruch des Vesuv 1872, dem ersten Vulkanausbruch, der jemals fotografiert wurde, verbinden die Künstler:innen historische Fakten über vergangene Eruptionen mit spekulativen Informationen über einen stetig lauernden Ausbruch des aktiven Vulkans. Das Projekt überzeugte die Jury mit seinem methodischen Neuansatz, der das Ziel verfolgt, durch verschiedene Temporalitäten und Blickwinkel alternative Erzählrichtungen zu präsentieren.
Naima Green (*1990, USA) überzeugte die Jury mit ihrem Werk I Keep Missing My Water, das aus Fotografien und einer 8-minütigen Videoinstallation besteht. Der Titel bezieht sich auf Otis Reddings Song You Don't Miss Your Water von 1965, der dazu ermutigt, sich an den Dingen zu erfreuen, solange man sie hat. Als Teil der Black und Queer Community dokumentiert Naima Green die Intimität innerhalb dieser Gemeinschaften mit großer Zärtlichkeit aus einer Insider-Perspektive. Dabei fungiert das Wasser als Metapher für Fluidität und Vitalität. Man spürt ihre Bewunderung für diese lebendige Gemeinschaft, sieht ihre tiefe Verbundenheit mit ihresgleichen und ist berührt von der Intimität ihrer Porträts sowie der Verführungskraft der bewegten Bilder ihrer Protagonist:innen.
Die Jury war beeindruckt von der ruhigen, aber fragenden Studie Micheldorf Micheldorf Micheldorf Micheldorf von Elias Holzknecht (*1993, AT), die sich mit vier Orten in Österreich beschäftigt, die bemerkenswerterweise denselben Namen tragen: Micheldorf. Durch nicht-lineares Erzählen und die Kombination von Farb- und Schwarz-Weiß-Fotografie sowie Kartografie, Mindmaps und Textfragmenten schafft das Werk eine Vorstellung von einem Ort, der sowohl schwer fassbar als auch austauschbar und dennoch undefiniert ist; ein Konzept, das durch den Buchvorschlag noch verstärkt wird, bei dem die Elemente neu verbunden werden, um bei jeder Betrachtung neue Erzählungen zu schaffen.
Die Arbeit The Perfect Crime: Concerning the Murder of Reality von Jan Staiger und Malte Uchtmann (*1995/*1996, DE) geht auf intelligente Weise über die traditionelle Dokumentation hinaus und erforscht, wie wir die Realität durch Fiktion wahrnehmen und erschaffen. Ihr klarer Ansatz ist vielfältig und beinhaltet Interventionen, die die Auswirkungen von Krimis auf die menschliche Wahrnehmung untersuchen, indem sie sich forensische visuelle Strategien neu aneignen. Dazu gehören inszenierte Set-Fotos, die die fotografische Authentizität in Frage stellen, die Manipulation von Schauspieler:innenporträts durch KI und die Untersuchung von "Angsträumen" in 3D-Rekonstruktionen von Tatorten aus Filmen.