Gespreizte Schenkel einer jungen Frau, zugeknöpfte Berufskleidung auf der Straße – der Kontrast von intim-privater Atmosphäre und Momentaufnahmen namenloser Passanten ist ein Kommentar zur Heterogenität und Dysfunktionalität der japanischen Gesellschaft. Mit der in den Jahren 1969–1973 entstandenen und 1973 als Fotobuch veröffentlichten Serie von Bildpaaren über das Leben in Tokio hinterfragt der japanische Fotograf Nobuyoshi Araki (*1940 in Tokio) schon früh die soziale Verantwortung und moralische Haltung ihrer Mitglieder. Heute gilt er weltweit als einer der einflussreichsten und meistdiskutierten Künstler, der sich mit Nacktheit, Sexualität und Körper auf radikal-realistische Weise auseinandersetzt. Dabei ist es sein distanzloser Blick auf seine Objekte, der gleichermaßen berührt und verstört. Die extreme Nähe und Vertrautheit zu den dokumentierten Personen und Situationen machen seine Fotografien einzigartig und revolutionär. Als einer der Wegbereiter der intimen subjektiven Fotografie nimmt Araki nicht nur Anteil am Leben seiner Protagonist*innen, sondern ist selbst elementarer Teil seiner Bilder. Tatsächlich interagiert er auch physisch mit den Fotografien, indem er sie zerreißt, zerschneidet und neu montiert.
In der von Felix Hoffmann kuratierten Ausstellung Nobuyoshi Araki . Impossible Love—Vintage Photographs präsentiert C/O Berlin erstmals noch nie öffentlich gezeigte Serien aus Arakis Frühwerk, kombiniert mit jüngsten Arbeiten aus den Serien Flower / Doll und Sky / Winds sowie Polaroid-Collagen. Zur Ausstellung erscheint eine Publikation im Steidl Verlag, Göttingen.