C/O Berlin Talent Award 2019

Sylvain Couzinet-Jacques / Mira Anneli Naß
Sub Rosa, 2018 © Sylvain Couzinet-Jacques
C/O Berlin Talent Award 2019 Sylvain Couzinet-Jacques, Ausstellungsansicht © David von Becker
C/O Berlin Talent Award 2019 Sylvain Couzinet-Jacques, Ausstellungsansicht © David von Becker

C/O Berlin freut sich den diesjährigen C/O Berlin Talent Award an den französischen Künstler Sylvain Couzinet-Jacques zu vergeben und sein Werk mit der Einzelausstellung Sylvain Couzinet-Jacques . Sub Rosa vom 07. Dezember 2019 bis 29. Februar 2020 bei C/O Berlin im Amerika Haus in der Hardenbergstraße 22–24, 10623 Berlin zu präsentieren. Als einziger Förderpreis in Europa zeichnet der C/O Berlin Talent Award einmal jährlich ein Tandem aus jungen Fotograf*innen und Theoretiker*innen aus.

Der diesjährige Preis 2019 wird an den französischen Künstler Sylvain Couzinet-Jacques verliehen, der bereits im letzten Jahr nominiert und Teil der Shortlist des C/O Berlin Talent Award 2018 war. Couzinet-Jacques’ herausragende künstlerische Handschrift und kontinuierliche Weiterentwicklung zeigt sich erneut in seiner jüngsten Arbeit Sub Rosa (2018), welche die nominierende Jury durch ihre zeitgenössische Sichtweise, dokumentarische Bildsprache und intelligente Verschränkung von Fotografie, Video- und Soundinstallation überzeugt hat. Die Arbeit Sub Rosa wird erstmalig im Rahmen einer Einzelausstellung bei C/O Berlin präsentiert und durch eine individuell gestaltete Publikation begleitet. Die darin enthaltenen kunstkritischen Texte hat die parallel ausgezeichnete Theoretikerin Mira Anneli Naß verfasst.

C/O Berlin Talent Award 2019 Sylvain Couzinet-Jacques, Ausstellungsansicht © David von Becker
C/O Berlin Talent Award 2019 Sylvain Couzinet-Jacques, Ausstellungsansicht © David von Becker
Gewinner*innen

Sylvain Couzinet-Jacques
(*1983 in Sens, Frankreich) lebt und arbeitet in Paris. Er absolvierte die École Supérieure des Beaux-Arts de Marseille (2010) und die École Nationale Supérieure de la Photographie in Arles (2012). Seine Arbeiten wurden u.a. im Le BAL in Paris, im Rahmen des Fotofestival Mannheim-Heidelberg-Ludwigshafen und in der Aperture Foundation in New York präsentiert. In 2015 war Couzinet-Jacques Stipendiat am Centre Photographique d’Ile-de-France in Paris und von 2014-2016 Artist in Residence im Programm der Cité Internationale des Arts in Paris. 2015 wurde er mit dem ersten Immersion Award der Fondation d’entreprise Hermès und der Aperture Foundation ausgezeichnet. Sein erstes Buch Eden (2006) entstand in Zusammenarbeit mit Fred Cave und ist bei Aperture erschienen. Von 2017—2018 war Sylvain Couzinet-Jacques Mitglied der French Academy Casa de Velàzquez in Madrid. Er wurde jüngst als Foam Talent 2019 des Fotomuseum Amsterdam ausgezeichnet.

C/O Berlin Talent Award 2019 Sylvain Couzinet-Jacques, Ausstellungsansicht © David von Becker
C/O Berlin Talent Award 2019 Sylvain Couzinet-Jacques, Ausstellungsansicht © David von Becker
Theorist Zitat von Mira Anneli Nass: To what degree can photography and film seek to depict narrative "memory spaces"?

Mira Anneli Naß
(*1989 in Schwäbisch Hall) studierte Kunstgeschichte, Literatur und Theaterwissenschaft in München und Florenz sowie Theorie und Geschichte der Fotografie an der Folkwang Universität der Künste. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin arbeitet sie seit 2019 an der Universität Bremen im Fachgebiet Kunstwissenschaft und Ästhetische Theorie. Dort forscht sie zu ihrem Dissertationsprojekt, das sich künstlerischen Narrativen von Überwachung und Macht widmet. Zu ihren jüngsten Publikationen gehören A Complete Negation of our Time. The Photo Book „Bäume“ by Albert Renger-Patzsch and Ernst Jünger in PhotoResearcher 31 (2019) und Krupp’sche Panoramen als Sichtbarkeitsdispositiv. Visuelle Strategien der Narration von (industrieller) Macht in kritische berichte 4 (2018). Mira Anneli Naß lebt und arbeitet in Bremen.

Jury

Die Fachjury, bestehend aus Ann-Christin Bertrand (Kuratorin, C/O Berlin Foundation), Milena Carstens (Leitung Bildredaktion, ZEITmagazin), Joachim Naudts (Kurator, Fotomuseum Antwerpen), Stefanie Moshammer (Gewinnerin des C/O Berlin Talent Award 2018) und Thomas Seelig (Kurator, Fotografische Sammlung Museum Folkwang, Essen), hat für die diesjährige Shortlist die vier Künstler*innen Axel Braun (DE), Jan Hoek (NL), Camille Lévêque (FR) und Luo Yang (CHN) ausgewählt. C/O Berlin freut sich, die Arbeiten dieser Künstler*innen in der Herbstausgabe 2019 der C/O Berlin Zeitung vorzustellen und in Kooperation mit Der Greif online zu präsentieren.

Die Jury Mitglieder sitzen um einen Tisch und diskutieren gemeinsam
Die Jury auf der Suche nach dem C/O Berlin Talent 2019: Stefanie Moshammer, Dr. Kathrin Schönegg, Milena Carstens , Ann-Christin Bertrand, Joachim Naudts und Thomas Seelig
Shortlist
Axel Braun, Die Technik muss grausam sein, wenn sie sich durchsetzen will, Diga del Vajont, 2011 © Axel Braun

Axel Braun
Mit seiner Werkserie Disturbed Harmonies (2011—2018) dokumentiert der deutsche Künstler Axel Braun (*1983, Düsseldorf) die gefährliche Dynamik und Veränderung auf der Erde im Anthropozän, dem Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse geworden ist. Dabei nutzt er die unterschiedlichsten Quellen von Aktivistenprotesten bis zu biologischen Forschungsmaterialien und bewegt sich mit seinen Fotografien, Video- und Soundarbeiten thematisch zwischen Energiebedarf und Naturschutz ebenso wie zwischen wirtschaftlichen und sozialen Interessen. Es sind künstlerische Fallstudien über industrielle Landschaften sowie Visualisierungen der stetig wachsenen Technosphäre, den menschlich geschaffenen Monumenten und den damit einhergehenden gesellschaftichen Prozessen und Veränderungen der Welt. Brauns Bilder präsentieren Orte moderner Natur- und Agrarlandschaften zwischen Siedlungs- und Ballungsräumen. Sie sind kühl, sachlich, fast wissenschaftlich, gleichwohl wirken sie mystisch, geheimnisvoll, melancholisch und poetisch. Sie zeigen nie den Menschen im Bild, lediglich das Resultat seines Einwirkens auf die Natur. Disturbed Harmonies sind Bilder von Utopie und Dystopie. Ohne Wertung, jedoch mit kritischer Geste hält Axel Braun den Betrachter*innen den Spiegel vor: Gibt es ein Zurück? Welche Verantwortung trägt der Mensch für der Erde?

Axel Braun, Noxious Interference, Białowieża, 2017 © Axel Braun

Jan Hoek
Die Serie Sistaaz of the Castle (2015/16) des niederländischen Künstlers Jan Hoek (*1984, Niederlande) ist ein laufendes Projekt in Kollaboration mit dem Designer Duran Lantink und einer Gruppe von Transgender-Sexarbeiter*innen aus Kapstadt. Flavina, Sulaiga, Coco, Celine Dion, Cleopatra, Joan Collins und Gabby sind die schillernden Sistaaz und stolzen Protagonist*innen der Fotografien. In ihren selbst gestalteten Outfits und fantasievollen Settings bringen die Transfrauen und -männer ihre Träume und Sehnsüchte zum Ausdruck, und Hoek lotet auf spielerische Weise aus, was mit fotografisch-dokumentarischen Mitteln erzählt und dargestellt werden kann. Der Arbeit von Jan Hoek liegt ein tiefes soziales Interesse und politisches Engagement zu Grunde. Von der Gesellschaft ungesehene Minoritäten aus Afrika und Asien, Obdachlose, Drogenabhängige und Menschen, die sich als Amateurmodels oder für kleine Dienstleistungen auf Online-Marktplätzen anbieten, sind stets zentrale Figuren seiner Bilder. Sie stehen im Kontrast zur glamourösen Modewelt und dem dekadenten Lebensstil, welche die Hochglanz-Magazine oder Instagram vorgeben. Mit kritischer und humorvoller Geste thematisiert Jan Hoek mit seinen Fotografien Aspekte der Kolonialgeschichte sowie wichtige Diskurse der Gegenwart zu Gender, Konsum und Kapitalismus.

Joan Collins– dream picture in wedding dress, a.d.S. Sistaaz of the Castle © Jan Hoek . Courtesy Duran Lantink, SistaazHood and Jan Hoek
Jan Hoek, Cleopatra, a.d.S. Sistaaz of the Castle © Jan Hoek . Courtesy Duran Lantink, SistaazHood and Jan Hoek
Camille Levêque, Family Photo, Detail from Sanahin‘s Church © Camille Levêque

Camille Lévêque
Camille Lévêque (*1985, Frankreich) ist Französin mit armenischen Wurzeln. Und We are our Mountains ist das Ergebnis ihres künstlerischen Projektes, in welchem sie seit 2015 gemeinsam mit ihrer Schwester Anna Lounguine diesen Wurzeln nachgeht. Dabei versteht sie die persönlichen Recherchen, Reisen und Erfahrungen als Teil des künstlerischen Prozesses. Auf den Spuren der eigenen Identität, Familiengeschichte, Heimat und Tradition verwebt Lévêque die kollektiven Erinnerungen und Bilder einer Nation mit denen ihrer eigenen Familie. We are our Mountains (2018) erzählt vom erloschenen Vulkanberg Ararat, der mit seinen 5.167 Metern der höchste Gipfel in Ostanatolien ist. Er befindet sich in einem militärischen Sperrgebiet der heutigen Türkei in der Nähe der Grenzen zu Armenien und dem Iran. Gemäß dem biblischen Mythos soll die Arche Noah nach der Sintflut hier gestrandet sein. „Schmerzensberg“ nennen ihn die Türken, „Feuriger Berg“ die Kurden, „Mutter der Erde“ die Armenier. Als Nationalsymbol und geografischer Identitätsstifter der dritten Generation nach der armenischen Diaspora in Europa ist der Ararat bis heute ein hoch symbolischer, politischer und emotionaler Ort.

Camille Levêque, Digital manipulation, Collage of a Family Photo with Elements of an Ancient Mosaic from a Church in Ani © Camille Levêque

Luo Yang
Exzentrisch, unangepasst, selbstbewusst und mutig, aber auch verträumt, schüchtern und verletzlich schauen Luo Yangs Girls (2015—2017) in die Kamera. Es sind junge Frauen aus den Großstädten Chinas und Freundinnen der Künstlerin, die sie beobachtet, begleitet und in ihrem Alltag ablichtet oder explizit für die Kamera inszeniert. Luo Yang (*1984 in Shenyang, China) präsentiert in ihren Bildern eine junge Generation von Frauen, die in den 1980er-Jahren geboren sind, in einem Land im Umbruch. Sie sind Kinder einer neuen Volksrepublik, einem China nach der Kulturrevolution und dem Tian’anmen Massaker. Die Bilder zelebrieren eine neue Freiheit – und werfen zugleich einen kritischen Blick auf die Lebensrealität. Luo Yang zählt mit ihrer dokumentarischen Fotografie zu den bedeutendsten Vertreter*innen einer neuen zeitgenössischen Fotografie in China.

Luo Yang, Wang Yanyun 2, 2016, a.d.S. GIRLS © Luo Yang
Luo Yang, Ge Lai Chuo Mao, 2017, a.d.S. GIRLS © Luo Yang